WM 2026 Qualifikation: Argentinien bucht sein Ticket mit kühlem Kopf und harter Arbeit
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Sep, 10 2025
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Argentinien macht den Sack zu
Kein Zittern, kein Umweg: Argentinien hat sein Ticket für die WM 2026 frühzeitig gesichert. In einer Qualifikation, die in Südamerika selten Gnade kennt, stand am Ende vor allem eines: Ruhe im Sturm. Der Weltmeister von 2022 marschierte verlässlich durch die CONMEBOL-Gruppe, sammelte Punkte, hielt die Nerven – und bestätigte, warum er derzeit die Messlatte im internationalen Fußball setzt.
Besonders markant: das 1:0 in Santiago am 5. Juni 2025. Ein Ergebnis, das nach außen unscheinbar wirkt, intern aber Gewicht hat. Chile auswärts ist nie angenehm – enge Räume, laute Kulisse, hoher Einsatz. Argentinien blieb bei seinem Plan, verteidigte diszipliniert, wartete auf den Moment und nahm die drei Punkte mit. Solche Auswärtssiege zeichnen Teams aus, die wissen, wann sie Tempo rausnehmen und wann sie zustechen.
Sechs Tage später folgte das 1:1 gegen Kolumbien – kein Spektakel, aber ein erwachsener Auftritt gegen einen Gegner, der physisch stark ist und vorne jederzeit gefährlich werden kann. Genau diese Zähigkeit, dieses Kontrollieren von Phasen, ohne den Faden zu verlieren, hat Argentinien in der Tabelle abgesichert. Nicht jedes Wochenende knallen die Tore, aber zuverlässig gibt es Zählbares. In einer langen Quali-Serie zählt das mehr als jede Gala.
Die Grundlage: eine Defensive, die selten wackelt. Torhüter Emiliano Martínez strahlt Ruhe aus, die Abwehr um erfahrene Stützen wie Cristian Romero oder Nicolás Otamendi arbeitet kompromisslos, die Wege im Mittelfeld sind kurz. Dazu kommt das Pressing, das nicht immer hoch, aber fast immer klug ist. Wenn Argentinien ins Risiko geht, dann dosiert. Wenn sie tief verteidigen, dann geschlossen. Das kostet weniger Körner – und verhindert Chaos.
Auch taktisch ist die Handschrift von Lionel Scaloni weiter klar zu sehen. Der Trainer hat die Balance konserviert: Ballbesitz ja, aber nicht um jeden Preis. Vertikale Pässe in die Spitze, schnelle Seitenwechsel, dazu Stürmer, die nicht nur treffen, sondern Räume ziehen und erste Verteidiger sind. Mal mit zwei echten Spitzen, mal mit einem flexiblen Dreiersturm – je nachdem, was der Gegner anbietet. Dieses pragmatische Element macht Argentinien schwer ausrechenbar.
Und vorne? Lionel Messi bleibt Taktgeber, auch wenn er seine Rolle in Phasen tiefer interpretiert. Um ihn herum haben sich verlässliche Achsen gebildet: Rodrigo De Paul als Laufmaschine und Taktgeber ohne Ball, Enzo Fernández als Scharnier im Aufbau, dazu die Offensivspitze mit Julián Álvarez und Lautaro Martínez, die je nach Plan rotieren. Argentinien kann variieren, ohne an Identität zu verlieren.
Die Rahmenbedingungen der südamerikanischen Ausscheidung erklären, warum dieses frühe Ticket mehr ist als ein Formalakt. Zehn Teams, Hin- und Rückspiele, Reisen quer über den Kontinent, Klimawechsel, wenig Erholung – und Gegner, die sich taktisch nicht verstecken. Seit der Aufstockung auf 48 WM-Teilnehmer fahren zwar sechs CONMEBOL-Teams direkt zur WM, der Siebte bekommt die Playoff-Chance. Doch wer die Region kennt, weiß: Selbst mit mehr Plätzen bleibt der Weg holprig. Frühzeitig durch zu sein, ist ein Fingerzeig.
Argentinien musste sich den Weg übrigens regulär erarbeiten – ein Freifahrtschein für Titelverteidiger gibt es längst nicht mehr. Dass dieses Team die Aufgabe so nüchtern abwickelt, sagt viel über die Kultur der Gruppe aus. Nach dem WM-Titel 2022, dem nächsten großen Erfolg auf dem Kontinent und etlichen Pflichtspielen unter Druck ist das Ego nicht explodiert, sondern geerdet. Man sieht es in den Details: saubere Staffelungen, Laufwege ohne Ball, kein Jammern, wenn es zäh wird.
Die Tabellenlage öffnet nun ein neues Kapitel: die Restspiele als Labor. Scaloni kann dosiert rotieren, ohne das Gerüst zu verändern. Spieler mit hoher Belastung bekommen Atempausen, Kandidaten aus der zweiten Reihe Minuten. Gerade die Breite im Kader wird über die Saison hinweg entscheidend sein. Verletzungen kommen, Formkurven schwanken – wer im Sommer 2026 vorbereitet sein will, testet jetzt die Alternativen. Junge Profis, die in Europa Tuchfühlung mit der Topliga haben, könnten sich in diesen Fenstern festbeißen.
Strategisch wichtig ist außerdem die Feinjustierung der Standards. In knappen Spielen entscheiden ruhende Bälle. Argentinien hat Schützen, hat Kopfballstärke, aber auch hier gilt: Timing und Varianten braucht es gegen Gegner, die den Strafraum verdichten. Das Trainerteam nutzt die Pufferzeit, um Abläufe zu automatisieren, Gegnerbilder zu aktualisieren und Abläufe zwischen Stammkräften und Rotationsspielern zu synchronisieren.
Ein Blick auf die Konkurrenz zeigt, wie wertvoll Konstanz ist. Brasilien bleibt individuell stark, Uruguay aggressiv im Anlaufen, Kolumbien und Ecuador tiefenstabil. Dazu Teams wie Venezuela, die sich taktisch modernisiert haben, und Chile oder Paraguay, die an einem Tag jeden schlagen können. Argentinien hat sich in diesem Feld nicht über Einzelmomente, sondern über Gewohnheit und Wiederholung abgesetzt. Der Rhythmus sitzt.
Normalerweise wird in dieser Phase gern über Schwachstellen gesprochen. Es gibt sie natürlich. Gegen tiefe, kompakten Blöcke fehlt manchmal der schnelle Durchbruch, und in Phasen, in denen Messi tiefer abkippt, kann der letzte Pass aus dem Halbraum fehlen. Doch im selben Atemzug zeigt die Mannschaft, dass sie solche Muster erkennt und nachsteuert – mit Läufen in die Tiefe, mit inversen Außen, mit mehr Risiko für ein paar Minuten. Das ist kein Zufall, sondern Training.
Was die Quali über dieses Team verrät
Erstens: Die Hierarchien stimmen. Führungsspieler tragen Verantwortung, ohne die Jüngeren zu erdrücken. Das senkt die Fehlerquote in kritischen Momenten, etwa Auswärtsphasen nach einem Rückstand oder in der Schlussviertelstunde, wenn der Gegner alles nach vorne wirft. Zweitens: Die Fitnesssteuerung wirkt durchdacht. Weniger Zerrspiele, mehr Kontrolle – das rettet Punkte, wenn die Beine schwer werden.
Drittens: Die Lernkurve aus den vergangenen Turnieren ist intakt. Argentinien hat sich seit 2021 ein Repertoire erarbeitet, das vom spektakulären Schlagabtausch bis zum kalten Verwaltungsmodus reicht. Teams, die beides können, stehen am Ende häufig ganz oben. Viertens: Die Kaderarchitektur ist bewusst breit. Schlüsselpositionen sind doppelt bis dreifach besetzt, Rollen klar definiert, der Stil bleibt unabhängig vom Personal erkennbar.
Was bedeutet das für 2026? Zunächst Ruhe im Kalender. Freundschaftsspiele können gezielt gewählt werden, um Profile zu schärfen: ein Gegner, der hoch presst, einer, der tief bunkert, einer mit wuchtigen Standards. So lässt sich gezielt trainieren, was in Turnierphasen zählt: Lösungen parat haben, wenn Plan A klemmt. Gleichzeitig bleibt die Hausaufgabe, die Intensität hochzuhalten, obwohl die Tabelle keinen Druck mehr macht.
Und ja, natürlich bleibt Messi das Gesicht dieser Generation. Doch das System ist so gebaut, dass es ohne Fixierung auf eine Einzelperson funktioniert. In entscheidenden Phasen tragen andere. Genau das schützt Argentinien vor Einbrüchen, wenn ein Star mal geschont werden muss. Die Mischung aus Erfahrung und Hunger sieht man im Detail – in Pressingwegen, in der Ruhe am Ball, in kleinen Fouls zur richtigen Zeit.
Unterm Strich steht ein Bild, das in Südamerika selten ist: ein Titelverteidiger, der die WM 2026 Qualifikation nicht nur schafft, sondern sie gestaltet. Mit klaren Ideen, mit Ergebnissen in schwierigen Stadien, mit dem Blick auf das große Turnier, ohne die Pflicht zu vernachlässigen. Die letzten Spieltage bieten nun Raum für Experimente, Feinschliff und ein paar mutige Entscheidungen. Argentinien hat sich diese Freiheit erarbeitet – durch Substanz, nicht durch Zufall.