SPD will Beitragsschranke erhöhen – Union wirft Wirtschaftsschaden ein

SPD will Beitragsschranke erhöhen – Union wirft Wirtschaftsschaden ein

Als Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD‑Bundestagsfraktion, im Juni 2024 vorschlug, die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung um rund 2.500 Euro anzuheben, löste er sofort eine hitzige Debatte in Berlin aus. Die Union, vertreten durch Albert Stegemann und Steffen Bilger, wies den Plan entschieden zurück und warnte vor teuren Folgen für Unternehmen.

Hintergrund: Was ist die Beitragsbemessungsgrenze?

Die Beitragsbemessungsgrenze bestimmt, bis zu welchem Bruttolohn Sozialversicherungsbeiträge fällig werden. Alles, was darüber liegt, bleibt beitragsfrei. Aktuell liegt die Grenze in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 5.512,50 Euro pro Monat. Laut Statistischem Bundesamt erreichen fast 30 % aller Vollzeitbeschäftigten bereits diesen Wert – das heißt, jede Anhebung würde direkt Millionen von Gutverdienern betreffen.

Ein Blick ins Zahlenmeer zeigt: 2024 stiegen die Bruttolöhne in Deutschland um 5,16 %. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales rechnet daher mit einer moderaten Anhebung der Grenze auf 5.812,50 Euro im Jahr 2026. Parallel dazu soll die Versicherungspflichtgrenze für private Krankenversicherungen von 6.150 Euro auf 6.450 Euro steigen.

SPD-Vorschlag: Warum die Grenze um 2.500 Euro steigen soll

Pantazis argumentierte, dass die GKV‑Finanzen angespannt seien und ohne zusätzliche Einnahmen die Leistungsfähigkeit gefährdet sei. „Für eine nachhaltige Stabilisierung der GKV‑Finanzen dürfen wir uns keine Denkverbote auferlegen“, sagte er der Bild. Sein Ziel: die Beitragsbemessungsgrenze „stufenweise“ an das Niveau der Rentenversicherung heranzuführen – das entspricht einer Erhöhung von rund 2.500 Euro.

Der Vorschlag wurde von den Grünen unterstützt. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, ergänzte, dass neben Strukturreformen auch eine höhere Grenze nötig sei, um die GKV langfristig zu sichern.

Union reagiert: Wirtschaftliche Bedenken im Vordergrund

Stegemann, stellvertretender Fraktionschef der Union für Gesundheitspolitik, reagierte scharf. „Damit wird Arbeit und Leistung unnötig verteuert und es schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland“, warnte er. Er verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem beide Parteien vereinbart hatten, die Belastung für Beitragszahler zu vermeiden.

Bilger, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, bestätigte diese Linie in Interviews mit RTL und n-tv: „Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, dass wir keine Beitragserhöhungen wollen.“ Beide betonten, dass die Lösung eher in Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen liegen müsse, nicht in höheren Beiträgen für Gutverdiener.

Ministerielle Berechnungen und geplante Gesetzesänderungen

Das Ministerium erklärte, die neuen Rechengrößen basierten auf gesetzlichen Vorgaben und der Lohnentwicklung 2024. Ohne Anpassungen, so die Behörde, würde die Beitragsbasis sukzessive erodieren, weil ein immer kleinerer Anteil der Lohnsumme verbeitragt würde. Das Papier verdeutlicht, dass es kein „normatives Ermessen“ gebe – die Zahlen sprangen förmlich aus dem Gesetzbuch.

Um die geplanten Änderungen umzusetzen, muss die Verordnung zu den Sozialversicherungsrechengrößen 2026 noch vom Bundesrat genehmigt werden. Parallel dazu hat das Kabinett bereits Anpassungen an der 2023 eingeführten Krankenhausreform beschlossen, die rund 1.700 Krankenhäuser betreffen.

Reaktionen von Verbänden und Experten

Der Steuerzahlerbund, vertreten durch Reiner Holznagel, kritisierte den SPD‑Vorschlag scharf. Er betonte, dass Gutverdiener bereits stark belastet seien und die jährliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze ohne vergleichbare steuerliche Entlastungen einseitig wirke.

Wirtschaftsexperten sehen das Thema differenzierter. Einige argumentieren, dass eine höhere Grenze kurzfristig zusätzliche Einnahmen generieren könnte, lang­fristig jedoch die Lohnstückquote relativ zu den Beiträgen sinkt, weil mehr Einkommen oberhalb der Grenze bleibt. Andere betonen, dass eine stabile GKV für den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen entscheidend sei.

Ausblick: Was kommt als Nächstes?

Der Streit wird wohl weitergehen, bis das Gesetz endgültig im Bundesrat abgestimmt ist. Beobachter erwarten, dass die Union weiterhin auf Effizienz‑ und Strukturreformen drängt, während die SPD die Beitragsdebatte im parlamentarischen Kontext wieder aufnimmt.

Für Arbeitnehmer bedeutet das: bis 2026 bleibt die aktuelle Grenze bestehen, danach könnte – je nach politischer Entscheidung – ein Anstieg von bis zu 2.500 Euro möglich sein. Für Unternehmen heißt das: mögliche Lohnnebenkosten im Auge behalten, insbesondere wenn die Schwelle für die Beitragsfreiheit weiter steigt.

Häufig gestellte Fragen

Wie stark würde eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze die Nettogehälter beeinflussen?

Eine Anhebung um 2.500 Euro würde bei einem Bruttogehalt von 6.000 Euro monatlich die monatlichen GKV‑Beiträge um etwa 100 Euro erhöhen – das entspricht rund 1,5 % des Nettogehalts. Bei höheren Einkommen sinkt der prozentuale Effekt, weil ein größerer Teil des Einkommens beitragsfrei bleibt.

Welcher rechtliche Schritt muss noch erfolgen, damit die neue Grenze gilt?

Die Verordnung zu den Sozialversicherungsrechengrößen 2026 muss vom Bundesrat beschlossen werden. Erst nach dieser Zustimmung können die erhöhten Grenzen im Januar 2026 wirksam werden.

Warum hält die Union gegen eine Erhöhung für wichtig?

Die Union sieht in der Erhöhung ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Höhere Beiträge könnten Lohnkosten in die Höhe treiben, Unternehmen belasten und damit den Standort schwächen – ein Argument, das vor allem in der Wirtschaftspolitik Gewicht hat.

Gibt es Alternativen zur Beitragsanhebung, um die GKV zu stabilisieren?

Experten nennen Effizienzsteigerungen im Verwaltungsbereich, bessere Präventionsprogramme und eine gezielte Reform der Leistungsabrechnung. Auch eine breitere Basis bei den Beiträgen, etwa durch die Einbeziehung von Selbstständigen, wird diskutiert.

Wie wirkt sich die geplante Anhebung für 2026 auf die private Krankenversicherung aus?

Die Versicherungspflichtgrenze wird von 6.150 Euro auf 6.450 Euro steigen. Das bedeutet, dass voraussichtlich mehr Angestellte in die GKV wechseln können, während die PKV‑Marktgröße leicht schrumpfen könnte – ein sekundärer Effekt, der ebenfalls beobachtet wird.